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Die Stadt Hameln und ihre Juden
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Ein Gang durch 700 Jahre gemeinsamen Lebens

Emanzipation und Assimilation: Das 19. Jahrhundert bis 1870

Zwei Generationen der Familie Oppenheimer – ein Lebensbild

Joseph Oppenheimer - ein Beispiel für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg und die gelingende Emanzipation.

Joseph Oppenheimer wohnt in der Kleinen Straße bei Schneidermeister Bornemann und kauft altes Gold, Silber und Tressen. Für einen Marktstand annonciert er: Kaufe "feine Spitzen, ausgenähte Hauben, ächten Tüll, Englisch Leder." Nach einigen Jahren verlegt sich Joseph neben dem Trödelhandel auch auf die Pfandleihe und den Verkauf von Lotterielosen ("Collekteur"). Seit 1846 bietet er auch Aktien zum Verkauf an ("Deutsche Eisenbahn-Kompagnie"). Im Hamelner Adressbuch von 1851 firmiert Joseph als "Lotterie-Collekteur, Negociant und Pfandverleiher" und ist ein Beispiel für die damals häufige Verbindung von Kleinhandel, Pfandleihe und Geldgeschäften.

Der Grabstein von Joseph Oppenheimer auf dem Hamelner jüdischen Friedhof (hebräische Seite)
Der Grabstein von Joseph Oppenheimer auf
dem Hamelner jüdischen Friedhof
(hebräische Seite)
Der Grabstein von Joseph Oppenheimer (deutsche Seite)
Der Grabstein von Joseph Oppenheimer
(deutsche Seite)

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Joseph Oppenheimer hat im gesellschaftlichen Leben der Stadt Hameln eine bedeutende Rolle gespielt. Die Hamelnschen Anzeigen widmen ihm bei seinem Tode 1851 einen ausführlichen Nachruf. Unter der Überschrift "Ehre, dem die Ehre gebührt!" wird seine "Thätigkeit und rege Theilnahme an dem Wohle unser Stadt ohne Eigennutz" gerühmt. Aus dem Nachruf geht hervor, dass Joseph in den Befreiungskriegen im Freicorps diente (dafür erhielt er eine Ehrenmedaille). In Hameln war er Besitzer eines Wohnhauses in der Neuen Marktstraße "sammt Hudetheil" und besaß als Rechnungsführer in der Mühlenthorschen Hude ein verantwortungsvolles Ehrenamt. Die jüdische Gemeinde wählte ihn zum 1. Vorsitzenden. Der Nachruf schließt mit dem Satz: "Unser Oppenheimer kann seinen Glaubensbrüdern, wie uns (!) Christen als Muster vorgestellt werden."

In der folgenden Generation, am Beispiel von Emanuel und Hermann Oppenheimer zeigt sich der Stimmungswechsel, die Krise am Ende dieser Epoche.

Zwei der vier Kinder, die Joseph mit seiner früh gestorbenen Frau Hanne hatte, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im Leben der Stadt. Emanuel übernimmt das Geschäft des Vaters. In der Alten Marktstraße besitzt er ein Haus. Auch er findet Anerkennung bei seinen Mitbürgern, die ihn z.B. als Friedensrichter vorschlagen. Aber ein Ereignis zeigt doch, dass die Juden trotz rechtlicher Gleichstellung keine wirklich gleichberechtigten Mitbürger geworden waren. Emanuel hatte 1868 in seinem Stadtbezirk zur Bürgerschaft kandidiert (seit 1866 war dies für Juden möglich). Darauf kam es in diesem Stadtbezirk zu einem Wahlboykott, und in den Hamelnschen Anzeigen erschien ein offener antisemitischer Brief. Ein Herr Kruse wirft Emanuel Oppenheimer Zudringlichkeit vor; er "vermisst den Einsatz, den sein Vater vor Waterloo zeigte". Hier wirft der Antisemitismus, der nach dem Börsenkrach von 1873 voll aufbricht, seine Schatten voraus.

Sein Bruder "Hermann Oppenheimer hat eine Polka-Mazurka für das Pianoforte komponiert und Herrn Senior Schläger gewidmet". 1858 gibt es ein "Konzert des Herrn Oppenheimer" auf dem Harmonium im Rathaussaale, und 1861 liegt sein Opus 10 "Zum 50jährigen Jubelfeste der deutschen Turner" gedruckt vor. Nachdem er sich als Musiklehrer durchgeschlagen hatte, eröffnet Hermann 1867 eine Musikalienhandlung, zunächst in der Hummenstraße, bald schon in der Bäckerstraße. Er vertreibt Musikalien (1870 annonciert er: "Die Wacht am Rhein; Pariser Einzugsmarsch und überhaupt sämmtliche Vaterlandslieder"), veranstaltet Konzerte und hat viele Verdienste um das Musikleben Hamelns.

Der Grabstein von Hermann Oppenheimer auf dem jüdischen Friedhof in Hameln
Der Grabstein von Hermann Oppenheimer auf dem
jüdischen Friedhof in Hameln

Der Nachruf beschreibt ihn als "fromm, freundlich, kindlich heiter" und betont, er sei "unberührt von dem Ausbruch der antisemitischen Epidemie" geblieben. So habe ein Hamelner zu ihm im Eifer gesagt: "Du, Oppenheimer und Michaelis, Ihr könnt natürlich hier bleiben. Aber die anderen müssen raus."

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© Bernhard Gelderblom Hameln