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Die Stadt Hameln und ihre Juden
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Ein Gang durch 700 Jahre gemeinsamen Lebens

Die Zeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit

Juden im mittelalterlichen Hameln

Die Stadt Hameln entstand um 1200. Sie liegt im Kreuzungspunkt mehrerer großer Straßen. Als Umschlag- und Stapelplatz an der Weser sowie als Zoll- und Brückenstation war sie von überregionaler Bedeutung. Diese Tatsache machte die Stadt für jüdische Kaufleute interessant.

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wohnten mindestens sieben jüdische Familien in Hameln. Darunter waren drei wohlhabende Großfamilien, die alle in besonderer Weise die Gunst des Rates genossen. Daneben gab es mehrere "areme joden".

1344 lebten mindestens 20 erwachsene männliche Juden in Hameln. Das lässt, wenn man Frauen, Kinder und Personal berücksichtigt, auf eine Gesamtzahl von 120 Juden schließen, eine außerordentliche hohe Zahl, wenn wir uns verdeutlichen, dass die Stadt damals kaum 2000 Einwohner hatte. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung an der Stadtbevölkerung lag über 5 Prozent. Im 19. Jahrhundert und später erreichte er nie mehr als 0,7 Prozent!

Hameln um 1500 (Weltchronik des Hermen Bote)
Hameln um 1500 (aus der Weltchronik des
Hermen Bote)
Quelle Die Weser, S. 274

Im großen Stadtrechtsprivileg von 1277, in dem Herzog Albrecht der Stadt umfangreiche Freiheiten und Rechte bestätigte, wurden Juden zum ersten Mal für Hameln erwähnt.

Es wurde darin festgelegt, dass jeder Jude, der in Hameln wohnt, von allen Diensten an den Herzog befreit ist, der Stadt gegenüber aber zu den "Diensten eines Bürgers" verpflichtet ist. Der Herzog gab also seine Ansprüche auf den Dienst und das Geld der Juden auf. Die Juden gehörten der Stadt und genossen ihren Schutz, wofür sie natürlich bezahlen mussten. Der Herzog wollte die eben erworbene Stadt sich dadurch verpflichten, dass er ihr mit der Nutzung des Judenschutzes, der sonst meist bei den Landesherren lag, eine wichtige Finanzquelle überließ. Dieses außerordentliche Privileg ließ sich die Stadt in den nächsten Jahrhunderten mehrmals bestätigen.

Wie nutzte die Stadt ihren Freiraum gegenüber den Juden? Die Juden werden oft als "borghere" (=Bürger) bezeichnet. Ihre Rechtsstellung glich weitgehend der christlicher Bürger. Juden mussten sich z. B. an der Verteidigung der Stadt beteiligen und dafür auch Pferde halten.

Sie mussten Vermögenssteuern (den Schoß) und weitere – hohe – Abgaben zahlen. Das "Judenbürgerrecht" berechtigte nicht zum Eintritt in eine Kaufmanns-Gilde und schloss (wohl) auch keine politische Mitsprache ein.

Für "verpfänden" sagte man damals in Hameln "setten in den joden". Die vermögenden Juden waren also als Geldverleiher und im Pfandgeschäft tätig.

Wir wissen auch ein wenig über das Gemeindeleben dieser Juden. Die Gemeinde besaß in Miete von der Stadt ein Haus. Es handelte sich um ein Steinhaus, zu dem ein Hof sowie zwei Buden gehörten. Im Hof stand die Synagoge ("dere stad scole"). Weder das Haus noch die Synagoge können allerdings lokalisiert werden.

Wenig spricht dafür, darin die Löwenapotheke an der Ecke Neue Marktstraße-Bäckerstraße zu sehen, wie es ein heute am Gebäude angebrachtes Schild behauptet. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.

Löwenapotheke mit Hexagramm
Das Gebäude der heutigen Löwenapotheke
mit dem Hexagramm im Giebel

Der Hamelner Historiker Spanuth hatte die Löwenapotheke nach der Freilegung des sechszackigen Sterns im Giebelfeld (in den 1950er Jahren) sogar als Synagoge in Anspruch genommen. Das Hexagramm kann jedoch nicht als Beleg gelten; es steht auf zwei Spitzen und hat die Aufgabe, böse Geister abzuwehren. Der Judenstern, der Magen David, steht grundsätzlich auf einem Fuß und kommt erst im 19. Jahrhundert als jüdisches Symbol in Gebrauch.

Mit Sicherheit hat es in Hameln kein abgeschlossenes Judenviertel gegeben. Der Name Goengasse, "Judengasse", den der westliche Teil der Neuen Marktstraße seit dem 16. Jahrhundert trägt, fehlt in den alten Urkunden.

 

 

 

 

 

 

 

  

Wir kennen für Hameln auch keine die Juden einschränkenden Bestimmungen, etwa Höchstzinssätze, ein Verbot gemeinsam zu baden, Kleiderordnungen oder entehrende Eidesformalitäten.

Juden müssen in vielen anderen deutschen Städten auf die Thora schwören und sich dabei auf die Haut einer Sau, also eines unreinen Tieres stellen. Es gibt noch viel schlimmere Darstellungen, welche die Grenze zum Obszönen weit überschreiten.

Die Offenheit der Hamelner Ratsherren gegenüber den jüdischen Bürgern ist beachtlich. Sie muss allerdings nicht für die Stadtbevölkerung als ganze gelten. Der aus den oberen Schichten sich rekrutierende Rat hatte ein Interesse an den Juden, weil sie die Wirtschaft belebten. Die Mittel- und Unterschichten der Stadtbevölkerung, also Handwerker und Krämer, waren häufig judenfeindlich eingestellt. Aber hier schweigen die Quellen für Hameln.

 

 

 

 

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© Bernhard Gelderblom Hameln