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Die Stadt Hameln und ihre Juden
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Ein Gang durch 700 Jahre gemeinsamen Lebens

Tradition und Aufklärung: Die Jahre bis 1780

Das 18. Jahrhundert

Für die wohlhabenden jüdischen Familien war die Festungsstadt Hameln auf Dauer zu klein. Sie gingen ins benachbarte Hannover oder verließen das konservative Königreich Hannover ganz.

Im 18. Jahrhundert kam es dort zu starken Einschränkungen der jüdischen Händler. Das Edikt über den jüdischen Handel aus dem Jahre 1723 legte erneut fest, dass Juden keine Läden haben und nur mit bestimmten wenigen Gütern handeln dürfen.

Juden müssen im Lande selbst hergestellte Waren absetzen, zumeist Seidenbänder und Textilien von schlechter Qualität.

In mehreren Erlassen wurde das Hausieren, d.h. der Verkauf an der Haustür, eingeschränkt, 1732 schließlich ganz verboten. Nur auf den Jahrmärkten war der Handel für Juden frei.

In der Verordnung gegen Betteljuden, Braunschweig 1775, heißt es:

Verordnung gegen Betteljuden Braunschweig 1775
Verordnung gegen Betteljuden, Braunschweig 1775
Quelle Marx S. 94

"... erneuern wir hiemit aus Landesherrlicher Macht und Gewalt obige Verordnungen dahin, daß von nun an überall kein Betteljude weiter in hiesige Lande eingelassen werden solle ... bei namhafter Strafe ..."

Es galt das Verbot, Immobilien zu erwerben, aber dann wurde wohlhabenderen Juden der Erwerb von Häusern bisweilen doch gestattet.

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In Hameln häuften sich die Klagen von christlichen Händlern und Handwerkern, die Juden würden unzulässigen Handel treiben. Der Rat gab diesen Klagen nach. Die Juden waren so weit verarmt, dass der Rat jedes Interesse an ihnen verlor. Die meisten Hamelner Juden lebten kümmerlich vom Verkauf alter Kleider, Schnitt- und Ellenwaren sowie von Lotterielosen.

Die Zahl der Hamelner Juden lag nach dem Siebenjährigen Krieges (1756-1763) bei durchschnittlich 12 Familien, wobei es sich nicht mehr um die wohlhabenden Großfamilien handelte. Durch die Einrichtung der Schutzbriefe konnte die Zahl der Juden genau kontrolliert werden.

Schutzbrief – Barsinghausen 1702
Schutzbrief auf 10 Jahre für
Salomon Ruben und sein Weib und
seine unverheirateten Kinder,
in Barsinghausen (1702). Laut
Schutzbrief darf Salomon Ruben
Geld auf Pfänder ausleihen nach
einem festgelegten Zinssatz.
Quelle Marx S. 63

Es war das alleinige Recht des Landesherrn, Schutzbriefe auszustellen. Schutzbriefe wurden in der Regel für die Dauer von sechs bis zehn Jahren ausgestellt. Danach musste erneut Schutz beantragt werden. Die Schutzbriefe erlaubten nicht nur das Wohnrecht, sondern umschrieben auch präzise, wovon ein Juden sich ernähren durfte. Erwachsene Söhne, die im elterlichen Hause lebten, erhielten keinen Schutzbrief; sie hatten faktisch den Status eines Knechts. Starb das Familienoberhaupt, so wurde der Schutz in der Regel auf den ältesten Sohn übertragen. Gab es weitere Söhne, so mussten diese die Stadt verlassen oder sich als Knecht verdingen.

Schutzbriefe stellte der Landesherr auch gegen den ausdrücklichen Widerstand des Rates aus. Der Rat wollte die Zahl der Juden nicht vermehrt wissen. Hier wird deutlich, wie sehr sich das Klima der Stadt gegenüber den Juden gewandelt hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Moses Mendelsohn mit Lessing und Lavater
Eine fiktive Begegnung: Moses Mendelsohn (links) mit Lessing
(stehend)
Quelle Marx S. 105

Die fortschrittlichen Gedanken der Aufklärung von Männern wie Mendelssohn und Lessing waren auf eine kleine Minderheit begrenzt.

Die rechtlichen Diskriminierungen der Juden blieben lange unverändert weiter bestehen. Die große Mehrheit der Juden lebte im 18. Jahrhundert in völliger sozialer Absonderung, in jüdischen Schulen erzogen und jiddisch sprechend. Das Judentum war nicht nur in religiöser, sondern auch in sozialer und kultureller Hinsicht eine abgeschlossene, randständige Gemeinschaft geworden.

Ein ganz erstaunlicher Vorgang ereignet sich in Hameln im Jahre 1797. Damals bitten die Hamelner Juden den Landesherrn um die Gewährung von Bürgerrechten. Es wird noch über 70 Jahre dauern, bis ihnen diese Bitte erhört wurde.

 
Die Quelle ist auch deswegen interessant, weil hier in einigen Fällen zum ersten Male Familiennamen auftauchen, so Emanuel Berend Oppenheimer und Berend Herz Detmold.
 

Siegel 2
Das Siegel von Ephraim Salomon (oben) zeigt die
Anfangsbuchstaben des Namens und einen Anker, jenes
von Berend Herz Detmold (unten) ein Herz und die
Anfangsbuchstaben.
Quelle National Archives Jerusalem

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© Bernhard Gelderblom Hameln