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Die Stadt Hameln und ihre Juden
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Die Vernichtung jüdischen Lebens - 1933 bis 1945

Deportation und Vernichtung. Das Jahr 1942

Rieka Katz

Katz Rieka
Rieka Katz in den 1930er Jahren

Mehrere Jahre - und am Ende vergeblich - kämpfte Rieka Katz um ihre Auswanderung. Mit ihren beiden Söhnen bewohnte und besaß sie das Haus Pferdemarkt 8 und betrieb dort einen Viehhandel. Der Boykott ließ die Umsätze stark zurück gehen. 1937 musste die Viehhandlung auf einen arischen Besitzer übergehen.

Zum Jahresende 1938 lebte von der Familie Katz nur noch die Mutter im Haus Pferdemarkt 8. Dem Sohn Karl war die Ausreise in die USA gelungen. Der jüngere Sohn Walter war im KZ Buchenwald ermordet worden.

Katz Walter
Walter Katz in den 1930er Jahren

Die furchtbaren Ereignisse drängten die Witwe, nun energisch die eigene Auswanderung zu betreiben. Um die erheblichen Kosten für die "Judenvermögensabgabe" und die Auswanderung aufzubringen, war Rieka Katz zum Verkauf des Hauses gezwungen.

Der Käufer, der Viehhändler Habekost, konnte aber nicht zahlen, weil er inzwischen zum Wehrdienst eingezogen wurde. Es folgten lange Verhandlungen mit dem Ziel, den Kaufvertrag zu lösen und einen anderen Käufer zu finden.

Um wenigstens die Auswanderung bezahlen zu können, bat sie den Oberbürgermeister um die Genehmigung, ihr Grundstück belasten zu dürfen. Nach zermürbendem Schriftwechsel erhielt sie schließlich im September 1940 die Genehmigung, eine Hypothek von 3.000 RM aufnehmen zu dürfen. Das Geld durfte nur für Auswanderungszwecke verwendet werden. Kostbare Zeit war vergangen.

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Am 11. September 1941 schrieb sie an den Oberbürgermeister:

"Die Kosten für die Auswanderung sind zum größten Teil bezahlt. Meine Auswanderung verschob sich noch, weil ich das Visum beim Konsulat in Hamburg nicht erhielt, offenbar mit Rücksicht auf die allgemeine Lage" (Sie meint den deutschen Angriff auf die Sowjetunion).

Ein weiterer Brief vom 24. September 1941 an den Oberbürgermeister hat sich erhalten.

"Ich benötige jetzt nur noch das Reisegeld für die Reise von hier bis zum Hafen Lissabon. Das Geld für die Schiffskarte hat mein Sohn bereitgestellt."

Rieka Katz ist die Flucht aus Deutschland nicht mehr gelungen. Mit Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion hatte das Dritte Reich alle Ausreisen von Juden aus seinem Machtbereich untersagt.

In ihrem Haus, das die Stadtverwaltung als "Judenhaus" nutzt, lebte sie noch bis Juli 1942. Mitte Juli erhielt sie die vor der Deportation auszufüllende 16-seitige Vermögenserklärung. Sehr viel blieb der 71-Jährigen hier nicht einzutragen.

Fünf Tage später – sie war inzwischen schon nach Hannover deportiert – wurde an die Adresse Pferdemarkt 8 die Verfügung über die Einziehung ihres gesamten Vermögens zugestellt.

Der Regierungspräsident:

"Auf Grund des §1 des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 ... wird in Verbindung mit dem Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden vom 29. Mai 1941 das gesamte Vermögen der Jüdin Rieka Sara Katz ... zuletzt wohnhaft in Hameln, Pferdemarkt 8 zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen."

Versteigerung
 
Versteigerung
Die beiden Fotos zeigen eine Versteigerung konfiszierten jüdischen
Eigentums unter den Bürgern einer hessischen Kleinstadt.
(Quelle Newsletter des Fritz-Bauer-Instituts Jg. 11, 2002, S. 37)

Das Finanzamt Hameln beschäftigte sich mit den verwertbaren Resten des Vermögens von Rieka Katz. Erhalten ist eine Abschrift des Versteigerungsprotokolls. Am 7. und 13. November 1942 fanden 52 Posten neue Besitzer. Die Bieter stammten aus Hameln oder den umliegenden Ortschaften. Sie erstanden Möbel, Küchenutensilien, Wäschestücke. Das teuerste Stück war ein Sofa für 75 RM, das billigste eine Brille mit Futteral für 1,40 RM.

Nach Abzug der Versteigerungskosten wurde der Reinerlös von 446,78 RM "an die Finanzkasse abgeführt". Damit hatten die Behörden das gesamte Vermögen der Familie Katz vereinnahmt – ein Betrag von insgesamt 21.000 RM.

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© Bernhard Gelderblom Hameln